Die WG – Irina

Story is nicht von mir.

Die WG

Kapitel 1

„Alle ausgeflogen.“

Roland Althoffs neuer Vermieter überreichte ihm achselzuckend die Schlüssel zur Wohnung und zum Haus. „Wie

erwartet. Dann müssen Sie sich eben selbst mit denen bekannt machen.“

„Wird schon klappen.“ Roland stellte seine zwei Koffer in den Flur und streckte sich kurz. „Sie haben Bescheid

gesagt? Nicht dass ich plötzlich als Einbrecher hier stehe…“

„Keine Sorge.

Die Leute wissen Bescheid. Sie denken an den Dauerauftrag für die Miete?“

„Gleich morgen früh. Sobald ich das Konto eröffnet habe.“

Roland lächelte erschöpft, doch das lag nur an seiner körperlichen Müdigkeit. Er war seit dem frühen Morgen

unterwegs, mit dem Zug von seiner alten Heimat in diese, etwa vierhundert Kilometer entfernte Stadt gekommen, und

war wegen eines Taxistreiks gezwungen gewesen, zu Fuß vom Bahnhof in den Vorort zu seiner neuen Wohnung zu

marschieren.

Sieben Kilometer mit zwei vollen Koffern. An einem schön heißen Julitag. Er war mehr als nur müde.

„Kein Problem. Die Miete für diesen Monat habe ich ja bekommen.“ Martin Gastner reichte Roland einen Umschlag.

„Die Namenssc***der für Klingel und Tür.“

„Vielen Dank.

Welches ist mein Zimmer?“

Gastner konnte ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. „Das ohne Namenssc***d an der Tür.“

Roland zog eine Grimasse. „Ich glaube, ich gehe ins Bett.“

„Tun Sie das. Viel Spaß mit Ihrem neuen Zimmer.“ Gastner machte eine kurze Handbewegung und ging wieder

hinaus.

Roland schloss die Tür hinter ihm und ging dann zögernd durch den Flur der Altbauwohnung. Er las im

Vorbeigehen die Namen auf den Türen und rief sich Gastners kurze Berichte dazu ins Gedächtnis.

Armin und Sonja Waldmann. Das frisch verheiratete Ehepaar. Beide gerade mal 18 Jahre jung.

Sonja war von ihren

Eltern hinaus geworfen worden, und Armins Eltern wollten das junge Glück auch nicht aufnehmen, so dass sie sich

eine Wohnung hatten suchen müssen. Sie wohnten seit knapp einem Monat hier.

Tür Nummer Zwei: Katja Ziegler. Die 30 jährige Sekretärin, die in Scheidung lebte und alles hasste, was nach Mann

aussah. Sie tat jedoch nur so, wie Gastner Roland versichert hatte; sie machte sich einen Spaß daraus, Männer zu

verunsichern, war einer neuen Beziehung jedoch vollkommen abgeneigt.

Das konnte Roland verstehen. Sie wohnte

bereits seit fünf Monaten hier.

Dritte Tür: Irene und Irina Becker. Mutter und Tochter, hatte Gastner erzählt. Irenes Mann war nach einem Autounfall

vor drei Jahren gestorben.

Da er mehr als 2,4 Promille Alkohol im Blut gehabt hatte, zahlte keine Versicherung, und

sie musste nun zusehen, die ganzen Schulden, die durch die Beerdigung und die Schäden an den anderen Autos

entstanden waren, zurück zu zahlen. Dabei war sie erst 29. Sie lebte mit ihrer Tochter bereits seit zweieinhalb Jahren

hier, sozusagen seit ihrem privaten Konkurs.

Roland fand schließlich sein Zimmer: am Ende des Flures, gleich neben dem Badezimmer. Er probierte die drei

Schlüssel und war nicht überrascht, dass erst der dritte passte.

Er trug seine Koffer ins Zimmer und sah sich dann

um.

Ein altmodischer, kleiner Kleiderschrank. Ein schmaler Tisch. Drei Stühle. Ein Bett.

Ein Kühlschrank.

Minimalausstattung, dachte Roland kurz, bevor er den Umschlag öffnete und die drei Namenssc***der heraus holte.

Das erste steckte er gleich in den kleinen Metallrahmen außen an seiner Zimmertür, das zweite kam außen an die

Wohnungstür, das dritte für die Haustür wollte er am nächsten Morgen anbringen. Er war jetzt einfach viel zu müde.

Er wuchtete den ersten Koffer auf sein Bett, öffnete ihn und schaute dann in den Kleiderschrank. Wie er schon halb

befürchtet hatte, waren keine Kleiderbügel darin. Seufzend packte er die Sachen aus seinem Koffer in den Schrank,

bis der Koffer ausgeräumt war, dann machte er sich an den zweiten.

Als auch dieser leer war, schloss Roland den

Kleiderschrank und sah auf ein bildhübsches junges Mädchen, das an den Türrahmen gelehnt stand und ihm

neugierig zusah. Das Mädchen war vom Gesicht her vielleicht elf, zwölf Jahre jung, dabei jedoch fast 1,70 groß und

ziemlich dünn. Sie trug ein langes, viel zu weites T-Shirt, das ihre rechte Schulter frei ließ und fast über den Arm

rutschte. Sie hatte sehr lange, lockige aschblonde Haare, die ihren schmalen Kopf wie eine Löwenmähne umgaben,

und klare graublaue Augen.

Ihre Beine, die unter dem T-Shirt hervor schauten, waren gerade und lang.

„Hallo“, grüßte Roland überrascht. „Wer bist du denn?“

„Irina Becker. Und du?“ Ohne erkennbare Scheu betrat sie sein Zimmer.

„Roland Althoff. Gerade eingezogen.“

„Dann auch Hallo, und herzlich willkommen.“ Sie musterte ihn neugierig.

„Du bist ja gar nicht so jung.“

„Ich bin 27“, erwiderte Roland schmunzelnd. „Ist das schon alt?“

„Uralt!“ Irinas Augen schimmerten schalkhaft. „Was machst du?“

„Einräumen.“

„Mann!“ Irina stöhnte übertrieben. „Beruflich!“

„Urlaub.“ Roland klappte den Koffer zu und überlegte, wo er ihn hintun sollte.

„In den Keller“, sagte das Mädchen in seine Überlegungen hinein.

„Da haben alle ihre Koffer. Was arbeitest du, wenn

du keinen Urlaub hast?“

„Da verkaufe ich neugierige Mädchen.“ Roland zwinkerte ihr zu, doch Irina hatte nicht das geringste Verständnis für

seinen Scherz.

„Alle anderen hier“, sagte sie leise, doch unverkennbar ernst, „nehmen mich für voll und antworten auf meine Fragen.

Bist du jetzt die große Ausnahme?“

„Nein.“ Roland ließ sich auf sein Bett fallen und streckte den Rücken durch.

„Tut mir leid, Mädchen“, entschuldigte er sich dann. „Ich wollte einfach nur lustig sein und einen Scherz machen. Ich

habe fünf Stunden in einem unbequemen Zug gesessen, mitten in einer Gruppe von angetrunkenen Leuten, und

musste anschließend noch zwei Stunden die Koffer durch die Stadt schleppen.

Ich bin total erledigt, todmüde und

wohl nicht so witzig, wie ich gedacht habe.“

Irina nahm die Entschuldigung mit einem knappen Kopfnicken an.

„Ich bin – nein, ich will Schriftsteller werden“, erklärte Roland. „Mein Großvater ist vor vier Monaten gestorben und hat

meinen Eltern und mir etwas Geld hinterlassen. Damit kann ich, wenn ich sparsam bin, gut zwei Jahre von leben, und

in der Zeit möchte ich meinen ersten Roman fertig stellen.“

„Cool!“ freute Irina sich. „Arbeitest du zu Hause?“

„Nein, hier“, grinste Roland.

Irina schnitt ihm ein Gesicht, musste aber auch etwas lachen. „Und was arbeitest du,

Irina?“

„Ich?“ Irina lachte fröhlich. „Ich bin schwer ausgelastet. Morgens einen schweren Job in der Schule, und nachmittags

schmiere ich alle möglichen Hefte voll, damit die Industrie ganz, ganz viele davon verkauft.“

„Damit hast du wohl den schwersten Beruf von uns allen.

Sag mal, Irina, gibt es hier in der Nähe einen Supermarkt?

Ich sterbe vor Durst.“

„Sicher. Zwei Straßen weiter. Kannst du mir was mitbringen? Kriegst auch Geld. Dann muss ich nicht mehr raus.“

„Aha.“ Roland sah sie forschend an.

„Hast du überhaupt kein Gewissen? Ich erzähle dir, wie kaputt ich bin, und du -„

„Nö!“ kicherte Irina. „Mein Gewissen lasse ich immer draußen vor der Tür liegen. Machst du das?“

„Gegenvorschlag.“ Roland gähnte herzhaft. „Du zeigst mir den Weg, und ich trage dir deine Sachen.

Schwerer als die

Koffer werden die wohl nicht sein.“

„Nicht viel.“ Irina drehte sich auf dem Fußballen um. „Bin gleich fertig!“ rief sie und eilte hinaus. Als sie knapp drei

Minuten später zurück kam, war Roland schon halb am Schlafen. Er mobilisierte seine Reserven und folgte Irina

hinaus.

Bei der Gelegenheit brachte er das letzte Namenssc***d am Hauseingang an. Irina wartete geduldig, bis er

fertig war, dann marschierten sie los.

„Wie alt bist du?“ fragte Roland.

„Rat mal.“

„Ich habe keine Ahnung!“ lachte Roland. „Deswegen frage ich ja. Vom Aussehen her würde ich dich auf höchstens

zwölf Jahre schätzen, aber du redest nicht wie eine Zwölfjährige.“

„Eher wie eine 13 jährige?“ Das Mädchen schaute ihn listig an.

Roland nickte.

„Stimmt“, gab Irina zu. „Na ja, fast. In drei Wochen habe ich Geburtstag. Am 5.

August. Dann werde ich 13. Aber das

mit dem Reden kommt daher, weil mich alle für voll nehmen und ganz erwachsen mit mir reden.“ Roland steckte den

Hieb mit einem schuldigen Gesicht ein.

„War mein Fehler, Irina. Kommt nicht wieder vor.

Ich habe nicht viel Erfahrung mit Kindern in deinem Alter.“

„Fehler Nummer Zwei“, seufzte Irina. „Ich bin nämlich kein Kind mehr.“

„Siehst du?“ platzte Roland lachend heraus. „Das meinte ich.“

„Lernst du schon noch.“ Ein musternder Blick aus graublauen Augen ruhte kurz auf ihm. „Hoffe ich.

Hier müssen wir

rüber.“

Sie überquerten die Straße und bogen in eine größere Straße ein.

„Die geht direkt zur Hauptstraße“, erklärte Irina. „Wieso bist du erst jetzt von zu Hause ausgezogen?“

„Schule, Abi, Bundeswehr, Studium, und dann zwei Jahre als Journalist gearbeitet. Da habe ich gemerkt, dass ich

viel lieber für mich als für andere schreibe. Allerdings habe ich in diesen zwei Jahren nicht so viel Geld sparen

können, dass es für die Selbständigkeit reichte.“

„Klar.

Was für ein Buch schreibst du?“

„Einen Krimi. Mit vielen Horrorelementen. Eine Art Psychoschocker.“

„Au weia!“ lachte Irina herzhaft. „Und dabei siehst du so harmlos aus!“

„Du auch“, erwiderte Roland mit einem schelmischen Grinsen, das Irina sofort erwiderte.

„Danke! Ich hab jede Menge Schocks auf Lager.

Siehst du da vorne? Da ist der Supermarkt.“

„Tatsächlich ganz in der Nähe“, freute sich Roland. „Super!“

„Deswegen hat sich Mutti diese Wohnung hier ausgesucht. Wir haben nämlich kein Auto. Nur zwei Fahrräder.

Die

anderen Wohnungen waren entweder zu teuer oder zu weit von Geschäften weg. Hier in der Nähe gibt's aber alles.

Den Supermarkt, eine Reinigung, eine Sparkasse… Eben alles. Was musst du alles kaufen?“

„Jede Menge Getränke.

Warst du schon in der Wohnung, als ich rein kam?“

„Hm-m. Wollte aber nicht raus. Der Gastner streichelt mich nämlich immer am Kopf, und der hat immer so schwitzige

Hände. Außerdem mag ich den nicht.

Er mich aber, und das nur, weil ich noch ein junges Mädchen bin.“ Sie grinste,

als Roland sie schockiert anschaute.

„Du bist jetzt in der Großstadt, Mann! Da geht's was anders zu als auf dem Land.“

„Du meinst – Du – Er…“ stotterte Roland. Irina nickte gleichgültig.

„Ja, der steht auf kleine Mädchen. Er weiß das, ich weiß das, Mutti weiß das, und alle anderen in der WG auch, also

benimmt er sich. Einmal hab ich ihn gebissen!“ kicherte sie ausgelassen.

„Da hat er mir mit dem Daumen über meine

Lippen gestreichelt. Da hab ich ihn gebissen. Richtig fest. Seitdem lässt er mich in Ruhe.

Schau mal!“ Sie deutete

aufgeregt auf ein Werbesc***d im Schaufenster des Supermarktes. „Mineralwasser im Angebot! Ein Kasten nur 2,99.

Der kostet sonst 6,99. Nimm dir einen davon, Roland. Das schmeckt echt gut!“

„Den kriege ich doch niemals nach Hause“, überlegte Roland laut.

„Vom Kofferschleppen sind meine Hände total

taub.“

„Kauf dir so 'nen Einkaufswagen. Die kosten knapp fünfzig Mark und tragen drei Kästen. Haben wir auch. Die gibt's

auch hier.“

Roland bemerkte, dass dieses Einkaufen allmählich über sein momentanes Fassungsvermögen ging, und lächelte

das Mädchen entschuldigend an.

„Irina? Wärst du so lieb, mich zu führen? Ich krieg heute nichts mehr auf die Reihe.“

„Geht klar.“ Ohne Scheu griff sie nach seiner Hand und ging vor, in den Supermarkt hinein. Das hatte Roland

eigentlich nicht gemeint, als er sie gebeten hatte, ihn zu führen, aber er war auch zu müde, eine vielleicht längere

Diskussion anzufangen. Also stolperte er hinter Irina her, die ihn gezielt zu den Sachen brachte, die er benötigte.

Knapp dreißig Minuten später standen sie wieder draußen. Roland war nun stolzer Besitzer eines Einkaufswagens

aus Plastik.

Irina nahm geschickt die aufgesetzte Stofftasche ab und verstaute ihre vielen und Rolands wenigen

Einkäufe darin, während Roland die zwei Kästen Getränke – Mineralwasser und Cola – auf die kleine Abstellfläche lud.

Natürlich kippten die Kästen sofort um, weil die Fläche einfach zu klein war.

„Kipp den Wagen“, meinte Irina ohne jede Spur von Belustigung. „Dann bleiben die stehen.“

Roland folgte ihrem Rat. Sobald der Wagen schräg gehalten wurde, blieben die Kästen tatsächlich stehen. Irina

packte die Tasche auf den obersten Kasten, legte sicherheitshalber ihre Hand darauf und strahlte Roland an.

„Na?“

„Super!“ Roland schenkte ihr ein ehrliches Lächeln voller Anerkennung, das Irinas Augen aufleuchten ließ wie die

helle Sonne.

Bevor der Blick peinlich wurde, schauten beide nach vorne und gingen los.

Wenig später standen sie vor der Haustür und mussten ihre Einkäufe zur allgemeinen Erleichterung nur ein

Stockwerk hinauf tragen. Roland legte einige Flaschen Wasser und Cola in den Kühlschrank, während Irina ihre

Einkäufe verstaute. Dann legte er sich lang auf sein Bett, um sich etwas auszuruhen. Als Irina gut fünf Minuten später

in sein Zimmer kam, schlief Roland schon tief und fest.

Irina sah ihn einen Moment mitfühlend lächelnd an, bevor sie

ihn zudeckte und leise die Tür zu seinem Zimmer schloss. Sie ging auf Zehenspitzen in das Wohnzimmer, schaltete

den Fernseher an und dachte lange über Roland nach, bis sie schließlich entschied, dass sie ihn nett fand. Zufrieden

lümmelte sie sich auf das Sofa und kicherte leise über die kindischen Streiche auf dem Bildschirm.

Roland wurde gegen sieben Uhr geweckt. Von Irina, die laut gegen seine Tür klopfte und seinen Namen rief.

Er

schreckte hoch und sah sich verwundert in einem ihm völlig fremden Zimmer um, bevor ihm wieder einfiel, wo er war.

„Komm rein!“ rief er, während er sich aufsetzte. Die Tür ging auf, und Irina steckte ihren Kopf durch die Tür.

„Abendessen!“ sagte sie munter. „Sind alle da.“

„Alle?“ Roland fühlte sofort eine gewisse Scheu, sich mit all den Menschen, die sich untereinander schon kannten, an

einen Tisch zu setzen.

„Die beißen nicht.“ Irina ging auf ihn zu, schlug das Oberbett zurück und streckte ihre Hand aus. „Nun los.“

Recht widerwillig stand Roland auf, nahm Irinas Hand und ließ sich mehr von ihr ziehen, als dass er selber ging.

Sie

führte ihn in die große Küche, wo schon vier Menschen saßen.

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